Die Coronakrise gegen den Alltag

Veröffentlicht am 15. März 2020 von Hugo Schmidt

Europa hält seit einigen Wochen den Atem an, hustet kollektiv in die Armbeuge und sagt Veranstaltungen ab. Es werden Schulen geschlossen, Spanien verhängt eine Ausgangssperre und Deutschland schließt seine Grenzen. Supermärkte werden leer gekauft und Desinfektionsmittel werden gehortet. Alle paar Minuten eine neue Hiobsbotschaft, die mehr und mehr Leute verunsichert und Angst macht. Doch das Corona-Virus kann uns auch zeigen, dass eine solidarische Gesellschaft funktioniert.

Jede*r begegnet einem mit erhobenen Händen, um zu signalisieren, dass ein Händeschütteln ausgeschlossen ist. Vor wenigen Tagen habe ich noch über solche Reaktionen geschmunzelt, doch inzwischen vergeht mir das Lachen. 3.700 Infizierte und drei Tote verzeichnet das Robert-Koch-Institut (Stand 15. März, 13 Uhr). Eine geplante Berlinreise habe ich abgesagt. Ich möchte mich als potentieller Risikopatient der unsichtbaren Gefahr einer Ansteckung nicht aussetzen.

Für Risikopatient*innen könnte eine Ansteckung zu einem lebensbedrohlichen Problem werden – für alle anderen nicht. Trotzdem bricht Panik aus. Wichtig ist jedoch, dass sich Menschen, die nicht zur Risikogruppe gehören, angemessen verhalten. Damit meine ich nicht nur das Einhalten der Handhygiene, sondern auch das Zeigen von Solidarität und Rücksichtnahme. Es sind bereits Aktionen gestartet worden, bei denen junge und gesunde Leute für ältere Nachbar*innen die Einkäufe erledigen. Mir ist außerdem positiv aufgefallen, dass seit den ersten Fällen in Europa die klassische Handhygiene sehr viel ernster und konsequenter durchgezogen wird. Auch die Nies- und Hustenetikette, also das Niesen und Husten in die Armbeuge, wird viel häufiger korrekt befolgt.

Aber diese Schutzmaßnahmen reichen nicht aus. Jetzt sind alle Schulen geschlossen, der Vorlesungsstart im Sommersemester ist auf den 20. April verschoben und viele europäische Nachbarstaaten schließen ihre Grenzen. Die Kanzlerin appelliert an alle, auf soziale Kontakte vorerst zu verzichten. Ein, in meinen Augen, sehr richtiger Schritt. Es bleibt abzuwarten, was in den nächsten Tagen und Wochen noch für Maßnahmen ergriffen werden, um die Infektionszahlen zu senken.

Nur wenn die Fallzahlen nicht in kurzer Zeit krass ansteigen, kann die medizinische Versorgung der schweren Fälle garantiert werden. Was passiert, wenn die Kapazitäten ausgelastet sind, zeigt sich jetzt in Italien. Dort müssen Ärzt*innen nun die Entscheidungen treffen, die niemand treffen kann und will. Es muss dort abgewogen werden, wer eine größere Überlebenschance hat und der schwache, vorerkrankte Patient*innen wird zum Sterben nach Hause geschickt. Dies ist eine humanitäre Katastrophe, die Angst macht. Deshalb ist in dieser Zeit jede*r Einzelne gefragt, durch das eigene Handeln Leben zu retten und nicht nach draußen zu gehen!

"Nie war es so wichtig, gemeinsam allein zu sein”, twitterte Christoph Amend, Chefredakteur des ZEITmagazins. Treffende Worte in einer Zeit, in der „Verzicht“ das Wort der Stunde wird. Wir sollten uns fragen, was ist nötig und was nicht. Bei vielen scheint der Appell der Kanzlerin noch nicht ganz angekommen zu sein. Manche fahren weiter in den Urlaub, andere feiern unbeirrt in Clubs weiter und bieten dem Virus so einen Freifahrtsschein einmal quer durch Deutschland, Europa und der Welt. Die allermeisten Menschen denken scheinbar nur an sich selbst. Eine Ansteckung kann für Menschen mit Vorerkrankungen tödlich enden. Der Schutz der Risikogruppe sollte jetzt die oberste Priorität in unserer Gesellschaft sein - für jede*n Einzelne*n. Es tut nicht weh mal für ein paar Wochen Zuhause zu bleiben. Es ist nicht schlimm, mal ein paar Tage nicht feiern zu gehen. Und es ist auch zu verkraften, seine Freund*Innen für einige Zeit nicht zutreffen. Auch wenn das für einige nach einer Dramatisierung der Lage aussieht, ist es mein Ernst. In dieser Zeit ist ignorantes Verhalten absolut fahrlässig und unmoralisch!

Ich habe mich nun in eine freiwillige Selbstisolation begeben, um mich zu schützen, aber auch, um andere zu schützen. Nun kann ich nichts weiter tun, als zu hoffen, dass andere ebenfalls auf ein normales Leben verzichten, zum Schutz der Risikopatienten.

Informationen vom Robert-Koch-Institut:

rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/nCoV

Informationen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung:

infektionsschutz.de/coronavirus-sars-cov-2.html